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Foto: Bernd Höfer, Breklum

Kreishaus in der Marktstraße in Husum

15.11.2012

Landrat Dieter Harrsen: »Wir brauchen eine Willkommenskultur für Ausländer«

Der Kreis Nordfriesland will die Integration der Ausländer in der Region verbessern. Zur Zeit leben 4.137 Menschen aus Afrika, Asien und den Balkanländern im Kreisgebiet. Sie haben es schwerer als die rund 2.000 Bürger der EU und der USA, in Deutschland Fuß zu fassen. »Ob in der Kita, in der Schule, im Arbeitsleben oder im gesellschaftlichen Miteinander: Es lässt sich vieles verbessern. Da müssen wir ran«, erklärt Landrat Dieter Harrsen.
Um dem Ziel näher zu kommen, lud der Kreis am 31. Oktober 2012 zu einer Migrations- Konferenz ins Kreishaus ein. Rund 100 Entscheidungsträger aus Politik, Verwaltung, Vereinen und anderen Institutionen konnte Harrsen begrüßen, darunter 15 Menschen mit Migrationshintergrund. Organisator war Peter Martensen aus der Migrationssozialberatung im Fachbereich Jugend, Soziales, Arbeit, Senioren der Kreisverwaltung. »Wir hätten noch wesentlich mehr Teilnehmer einladen können, doch aus Platzgründen mussten wir uns beschränken«, sagt er.

Eingangs stellte Abteilungsleiter Wolfgang Scharbach aus dem schleswig-holsteinischen Innenministerium die Strategien und Gesetzesinitiativen der Landesregierung zur besseren Integration von Migranten vor. Ausdrücklich dankte Scharbach – gleichzeitig Integrationsbeauftragter des Landes – der Ausländerbehörde und der Migrationssozialberatung des Kreises für ihr langjähriges Engagement zugunsten ausländischer Mitbürger und lobte ihre gute Zusammenarbeit mit dem Ministerium.

In der Konferenz wurden in vier Workshops Handlungsfelder für die zukünftige Arbeit diskutiert. »Immer wieder ist deutlich geworden, dass die Sprache der Schlüssel zur Integration ist«, betont Dieter Harrsen. »Eigentlich dürfte kein Kind eingeschult werden, das die deutsche Sprache nicht beherrscht. Wir müssen sehr früh mit der Sprachförderung beginnen und konsequent dabeibleiben.«

Auch der Mangel an Dolmetschern war ein Thema. »Viele unserer Klienten sprechen nur kurdisch, arabisch, farsi oder dari«, berichtet Peter Martensen. »Wir brauchen nicht unbedingt staatlich zertifizierte Übersetzer, sondern Muttersprachler, die auch Deutsch sprechen und diese Tätigkeit übernehmen können.« Beste Erfahrungen hat die Migrationsozialberatung etwa mit einer jungen Kurdin gemacht, die ihre Landsleute regelmäßig bei Gesprächen mit der Verwaltung unterstützt.

Ein weiteres Problem: Jugendliche etwa aus Arabien oder der Türkei erwerben in Deutschland wesentlich seltener das Abitur als Einheimische. »Das liegt mit Sicherheit nicht an mangelnder Begabung, sondern hat etwas mit den Defiziten unseres Bildungssystems zu tun«, stellt Dieter Harrsen fest. »Auch darum müssen wir uns kümmern.«

Der dritte Hauptpunkt der Konferenz war das Thema Arbeit. Migranten stellen eine wertvolle Ressource für den Arbeitsmarkt dar. Viele arbeiten in der Gastronomie und leisten nicht zu unterschätzende Beiträge zum Funktionieren des Wirtschaftsfaktors Tourismus in der Region. Manche verfügen über hochwertige Berufsausbildungen, die jedoch in Deutschland nicht anerkannt werden oder für deren Ausübung die Sprachkenntnisse fehlen. So berichtet Peter Martensen von einer Bulgarin, die als Küchenhilfe arbeitete: »Seit ich erfahren habe, dass sie über einen Hochschulabschluss in Psychologie verfügt, versuche ich, ihr eine Tätigkeit im pädagogischen Bereich zu vermitteln. Wenn ihre Sprachkenntnisse eines Tages ausreichen, kann sie hier vielleicht sogar als Psychologin arbeiten.«

In einer Doppelfunktion nahm Harry Schröder an der Migrations-Konferenz teil: Er leitet die Ausländerbehörde des Kreises und muss immer wieder Zwangsmaßnahmen wie Abschiebungen anordnen. »Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in diesem Bereich werden durch Bundesrecht geregelt, da hat der Kreis so gut wie kein Ermessen«, erklärt er. »Auf der anderen Seite kümmern wir uns als Ausländerbehörde sehr intensiv um die Integration unserer Klienten in die Gesellschaft.« Dabei stoße man immer wieder an rechtliche Hürden wie das Verbot, innerhalb des ersten Jahres nach der Einreise eine Arbeit aufzunehmen. »Das ist im höchsten Maße integrationsfeindlich«, kritisiert Schröder.

Insgesamt vier Arbeitsgruppen fanden in der Migrations-Konferenz zusammen und werden sich in den nächsten Monaten regelmäßig treffen. Ihre Themenschwerpunkte: Bildung, Arbeit, Integration von Mädchen und Frauen sowie die Integration vor Ort in den Gemeinden. Alle Arbeitsgruppen stehen neuen Mitgliedern offen. Interessenten können sich bei Peter Martensen melden (Tel. 04841/67438).

Natürlich ist Integration keine Einbahnstraße: »Auch die Ausländer selbst müssen sich intensiv darum bemühen«, bemerkt Harry Schröder. Nach seiner Erfahrung zeigen die Zugereisten jedoch bis auf wenige Ausnahmen großes Interesse an ihrer neuen Heimat: »Sie möchten dazugehören und sich in die Gesellschaft einbringen. Jetzt kommt es darauf an, die Hürden dafür abzubauen.«

Nach einem Jahr soll eine Zwischenbilanz gezogen werden. »Wichtig ist, dass wir die Integration auf allen Ebenen als Querschnittsaufgabe betrachten«, betont Landrat Dieter Harrsen: »Ob in den Gemeinden, den Sportvereinen, der Feuerwehr, in der Schule oder in den Betrieben – überall muss es eine Willkommenskultur geben, die es unseren ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern leicht macht, sich bei uns zuhause zu fühlen.«

Harry Schröder ergänzt, dass nur wenige zwangsweise das Land verlassen müssen, auch wenn sie in Deutschland nicht als politisch Verfolgte anerkannt werden sollten: Rund 80 Prozent der als Asylbewerber Eingereisten bleiben langfristig in Deutschland, weil sie zum Beispiel aufgrund der unsicheren Verhältnisse in ihrem Heimatland oder aus anderen Gründen nicht abgeschoben werden können.

Viele integrieren sich über die Jahre hinweg sehr gut in die deutsche Gesellschaft, werden aber aufgrund der rigiden Gesetzgebung des Bundes doch noch abgeschoben, sobald die ausländerrechtlichen »Duldungsgründe« entfallen. »Wir brauchen neue Regelungen bei der Aufenthaltserlaubnis für Menschen, die besonders gut integriert sind – etwa für Kinder, die hier geboren und aufgewachsen sind«, fordert Dieter Harrsen: »Gerade im Hinblick auf den sich verstärkenden demografischen Wandel können wir in Nordfriesland auf keinen Menschen verzichten.«

Die nordfriesische Migrations-Konferenz gliedert sich ein in den von der Bundesregierung beschlossenen nationalen Integrationsplan: Sowohl auf der Bundes- als auch auf der Landesebene und in den Kreisen und Kommunen gibt es vielfältige Bestrebungen, die Integration ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger zu verbessern. Auch der nordfriesische Kreistag hat immer wieder Beschlüsse gefasst, um die Integration zu fördern.