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Foto: Bernd Höfer, Breklum

Kreishaus in der Marktstraße in Husum

01.02.2019

Pilotprojekt im Rettungsdienst Nordfriesland: So kommen Notfallsanitäter schneller zum Einsatzort

Der Rettungsdienst des Kreises Nordfriesland plant ein bundesweites Pilotprojekt: Künftig sollen testweise zwei neuartige »Rettungs-Einsatz-Fahrzeuge« (REF) zusätzlich eingesetzt werden. Dadurch soll gerade bezogen auf den ländlichen Raum die Versorgungssituation im Rettungsdienst verbessert werden, bei gleichzeitiger Entlastung der üblichen, mit zwei Personen besetzten Rettungswagen (offiziell: Rettungstransportwagen oder RTW).

»Als REF werden wir mit voller medizinischer Ausrüstung ausgestattete Pkw einsetzen, die statt mit zwei mit nur einem Notfallsanitäter oder einer Notfallsanitäterin besetzt sind«, erklärt Landrat Dieter Harrsen. Diese Fachkräfte werden sogar auf einem noch höherwertigen Ausbildungsstand als die in den RTW sein.

Sie sollen die Erstversorgung der Patienten vornehmen bis hin zu Reanimationsmaßnahmen, künstlicher Beatmung und dem Einsatz eines Defibrillators bei Herzstillstand.

»Sobald ein RTW eintrifft, ist die Arbeit des REF getan«, erklärt Nina Rahder, die Leiterin des Fachbereiches Sicherheit, Gesundheit und Veterinärwesen des Kreises Nordfriesland. »Die REF-Besatzung übergibt den Patienten an ihre Kollegen und meldet sich sofort wieder bei der Rettungsleitstelle in Harrislee als einsatzbereit und verfügbar an, während die beiden anderen den Patienten im Regelfall in ihrem RTW ins Krankenhaus fahren.«

Ein ergänzendes und zusätzliches Rettungsmittel

Gesundheits-Staatssekretär Dr. Matthias Badenhop betont: »Oberste Priorität muss es sein, bei akut lebensbedrohlichen Situationen so früh wie möglich eine stabilisierende Versorgung zu gewährleisten. Aus Sicht des Ministeriums kann das Rettungs-Einsatz-Fahrzeug ein mögliches Instrument für eine solche schnelle qualifizierte Erstversorgung sein. Der Einsatz des REF muss dabei als ergänzendes und zusätzliches Rettungsmittel verstanden werden, das zu einer Verbesserung der Versorgung gerade in dünn besiedelten Gebieten beitragen kann. Vor einer abschließenden Entscheidung über den Antrag des Kreises Nordfriesland auf Erprobung des REF-Systems ist mir ein transparentes Verfahren wichtig, um die Beteiligten zu informieren und anzuhören. Mein herzlicher Dank gilt dem Kreis, der dieses umsetzt, damit die innovative Idee zum Erfolg im Sinne einer guten Patientenversorgung werden kann.«

Bewährte Vorbilder im Ausland

Mit vergleichbaren Einsatzkonzepten haben Länder wie Dänemark, Schottland und die Niederlande bereits beste Erfahrungen gemacht. Auch in Großstädten wie New York und London wird so gearbeitet. Hauptziel ist die Verkürzung des sogenannten therapiefreien Intervalls zwischen dem Eingang des Notrufes über die Telefonnummer 112 und dem Eintreffen der ersten Fachleute am Einsatzort.

Interesse in ganz Deutschland erwartet

Nina Rahder ist davon überzeugt, dass Rettungsdienste in ganz Deutschland das nordfriesische Pilotprojekt mit größtem Interesse verfolgen werden: »Unser Ziel ist es, das Sicherheitsniveau gerade im ländlichen Raum zu erhöhen – je früher qualifizierte, professionelle Hilfe am Einsatzort ist, desto besser.«

Herausforderungen für den Rettungsdienst

Einer der Gründe für das Projekt: Die schleswig-holsteinischen Rettungswachen wurden in den 1990-er Jahren auf Grundlage eines landesweit abgestimmten Konzeptes strategisch in der Fläche verteilt, davon neun in Nordfriesland. Seit damals hat der Straßenverkehr stark zugenommen, ohne dass die Straßen entsprechend ausgebaut worden wären. 

Zahlreiche Kreisverkehre, Verkehrsberuhigungsmaßnahmen sowie der schlechte Zustand vieler Asphaltdecken senken die mögliche Höchstgeschwindigkeit weiter ab – selbst für Fahrzeuge mit Blaulicht. Das führt zu längeren Transportzeiten und damit zu einer längeren Abwesenheit des RTW. In dieser Zeit bleibt das betreffende REF vor Ort im Versorgungsbereich der Rettungswache und kann sofort einen eventuellen Folgeeinsatz übernehmen. 

»Hinzu kommt der demographische Wandel: Mit dem steigenden Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt auch die Zahl der Notfalleinsätze, während die Zahl der verfügbaren Fachkräfte abnimmt, also auch die der Notfallsanitäter«, stellt Nina Rahder fest.

Neue Rettungswachen und zwei REF

Der Kreis Nordfriesland reagiert auf zwei Arten: Er baut zusätzliche Rettungswachen – eine ist bereits in Sankt Peter Ording aktiv, eine zweite soll im nördlichen Kreisgebiet entstehen – und will zwei zusätzliche Standorte für die neuen REF einrichten: einen im Raum Wobbenbüll/Hattstedt, einen voraussichtlich in der Gegend von Galmsbüll. Der erste soll schwerpunktmäßig den Raum Nordstrand/Hattstedt/Wobbenbüll abdecken, der andere das dünn besiedelte nördliche Südtondern.

Dank an Land und Krankenkassen

Verwaltungschef Dieter Harrsen betont: »Wir wollen mit dem Modell neue Stellen schaffen und unsere Leistungen im Rettungsdienst an neuen Stützpunkten ausweiten. Ich bin dem Land und den Kassen sehr dankbar für die Offenheit, mit der sie unsere Idee von Anfang an unterstützt haben.« 

Denn einen solchen Ausbau des Rettungsdienstes kann ein Kreis nicht allein beschließen: Notwendig ist eine Zustimmung des Landes und auch der Krankenkassen, die den Rettungsdienst zu 100 Prozent finanzieren.

Im nächsten Schritt sollen zwei Spezialfahrzeuge und zehn Personalstellen für Notfallsanitäter öffentlich ausgeschrieben werden, sofern das Land seine abschließende Zustimmung erteilt. Im Herbst 2019 sollen dann die REF ihre ersten Einsätze fahren können.

Reibungslose Teamarbeit zwischen RTW und REF

Nina Rahder legt größten Wert auf die reibungslose Zusammenarbeit mit den Notfallsanitätern in den RTW: »Das neue Personal wird wie das vorhandene in den RTW unserer Rettungswachen eingesetzt. Wer möchte und eine spezielle Ausbildung hierfür absolviert hat, kann dann regelmäßig auch die sehr verantwortungsvollen Aufgaben als REF-Besatzung übernehmen und arbeitet anschließend wieder ganz normal in einer Rettungswache. So stellen wir sicher, dass die Besatzungen von RTW und REF sich persönlich gut kennen und am Einsatzort wirklich Hand in Hand arbeiten können.«

Das Pilotprojekt ist auf drei Jahre angelegt und soll vom Institut für Rettungs- und Notfallmedizin am UKSH in Kiel wissenschaftlich begleitet werden.