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Foto: Bernd Höfer, Breklum

Kreishaus in der Marktstraße in Husum

23.06.2022

Zehn Jahre Chancengleichheit am Arbeitsmarkt in Nordfriesland

Niemand darf aufgrund seiner Lebensumstände beim Zugang zum Arbeitsleben benachteiligt werden: Diese klare Haltung treibt Sabine Löhner an. Seit zehn Jahren setzt sie sich als Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA) erfolgreich für die Belange von Frauen und Männern im Jobcenter Nordfriesland ein. Ihr Ziel: existierende Strukturen durch stetiges Sensibilisieren zu verändern. Nur so könne aus der im Sozialgesetzbuch gesetzlich vorgegebenen Chancengleichheit auf Dauer Realität werden.

Wie wichtig es ist, bei diesem Thema nicht locker zu lassen, zeigt die Situation von Frauen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Gegenüber Männern sind sie weiterhin deutlich benachteiligt. Der Grund: strukturelle Ungleichheiten. So werden typische Frauenberufe oft schlechter bezahlt. Für viele Frauen bedeutet das eine dauerhafte Abhängigkeit von staatlichen Leistungen. Besonders Alleinerziehende sind hiervon betroffen.

»Hinzu kommt, dass längere Erziehungszeiten nur zu drei Prozent von Männern genommen werden. Die Care-Arbeit, zu der unter anderem die Kinderbetreuung und die Pflege Angehöriger gehören, übernehmen meist Frauen«, berichtet Sabine Löhner. Das Resultat: Oft kommt nur eine Teilzeitstelle in Frage, die dann auch im Alter zur finanziellen Schlechterstellung führt.

»Auf den Abbau geschlechtsspezifischer Benachteiligungen legen wir großen Wert«, hält Axel Scholz, Leiter des Jobcenters Nordfriesland, fest. »Da immer noch weniger Frauen von ihrer Arbeit leistungsunabhängig leben können, konzentrieren wir uns dabei vermehrt auf sie. Frau Löhner leistet mit ihrem Einsatz für die Chancengleichheit hierbei seit zehn Jahren einen großartigen Beitrag«, ergänzt Scholz.

Veränderungen durch stetiges Sensibilisieren

Da das nur gemeinsam gelingt, konzentriert sich Sabine Löhner vor allem auf eines: den regelmäßigen Austausch – mit Axel Scholz, mit den örtlichen Leitungen der sieben Sozialzentren im Kreis, in denen die Jobcenter angesiedelt sind, mit den Fallmanagern, mit Unternehmen und den Langzeitarbeitslosen selbst.

»Ich informiere und berate alle Beteiligten, gebe Impulse, nehme Anregungen auf und schaffe Möglichkeiten, damit das Fallmanagement schnell auf Informationen zugreifen kann«, erklärt die BCA. »Die Grundvoraussetzung dafür, dass wir als kommunales Jobcenter Frauen gezielter helfen können, sind Offenheit und Mut zur Reflexion der eigenen Strukturen oder Denkmuster. Genau darauf treffe ich in den Gesprächen mit den Führungskräften und den Kollegen im Fallmanagement immer wieder.«

So engagierte sich die Husumerin beispielsweise erfolgreich dafür, dass die Maßnahmen und Qualifizierungen des nordfriesischen Jobcenters seit 2013 in Teilzeit stattfinden. Erziehende können damit problemlos daran teilnehmen. »Seitdem kommen dort auch gezielt Themen wie Kinderbetreuung oder Teilzeitausbildung zur Sprache, die für viele Frauen wichtig sind und ihnen ihre Perspektiven aufzeigen«, sagt Sabine Löhner.

Durch Hinweise und Vorschläge der BCA stieg die finanzielle Förderung von Frauen bei der Arbeitsaufnahme durch ein Einstiegsgeld innerhalb eines Jahres von 37 Prozent auf rund 48 Prozent. »Damit fördern wir Kunden, die einen Mehraufwand abfangen müssen, wenn sie eine neue Arbeit beginnen. Gerade bei Alleinerziehenden ist das der Fall. Ich denke da nur an die Organisation der Kinderbetreuung oder die Fahrtwege zur Schule beziehungsweise Kita«, verdeutlicht Sabine Löhner.

Immer im Blick: die Bedürfnisse der Kunden

Eines kommt der BCA bei ihrer Arbeit zugute: die eigene Erfahrung als Fallmanagerin – denn sie ist zudem mit einer Halbtagsstelle auch im Jobcenter des Sozialzentrums Südliches Nordfriesland im Einsatz. Zum einen, so Löhner, bekomme sie die Bedürfnisse der Kunden so direkt mit, zum anderen wisse sie, wie die Praxis tickt und welche Strukturen man verändern könnte.

Seit Kurzem macht Sabine Löhner daher auch auf das Thema geschlechtsunspezifische Berufswahl aufmerksam. Gemeinsam mit dem Netzwerk AuF - Arbeitsmarkt und Frauen der Beratungsstelle FRAU & BERUF entstanden zwei Informationspostkarten. »Wir möchten die Kollegen darin bestärken, Kundinnen und Kunden auch Stellen oder Ausbildungen anzubieten, die unsere Gesellschaft typischerweise dem anderen Geschlecht zuordnet«, hält die Fachfrau fest.

Damit nicht genug: Mit Pia Stelzer, die das Forum Alleinerziehende Nordfriesland – kurz ForAN – koordiniert, entwickelte sie jüngst eine Online-Umfrage zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Zielgruppe: erziehende SGB II-Kunden, die an einer Maßnahme teilnehmen oder Kinder unter drei Jahren haben. Seit Juni wird in den offiziellen Anschreiben des Fallmanagements darauf aufmerksam gemacht. »Je mehr wir über die Bedürfnisse, Probleme und Wünsche der Betroffenen erfahren, desto gezielter können wir ihnen mit Angeboten und Informationen helfen«, erklärt Sabine Löhner.

Diese Hilfe möchte sie mit ihrem neuesten Flyer, der in Zusammenarbeit mit ForAN und dem Gleichstellungsbüro der Stadt Husum entstand, auch Frauen im Kreis zukommen lassen, die aus der Ukraine flüchten mussten. Er beinhaltet wichtige Notfallnummern und Informationen zum Schul- und Kindergartensystem, zur medizinischen Vorsorge sowie den Themen Schwangerschaft und Arbeitssuche – auf Ukrainisch. Erscheinen soll er künftig auch in anderen Sprachen.

Insgesamt blickt Sabine Löhner mit Stolz auf zehn Jahre als BCA zurück. »Mir ist es gelungen, dass das Thema Chancengleichheit bei allen präsent ist und die Kollegen meine Anregungen nicht als moralischen Zeigefinger empfinden, sondern ihnen mit Offenheit begegnen«, freut sie sich. Bis die Gleichstellung als Selbstverständnis in die DNA eines jeden Menschen übergegangen ist, wird es – da ist sie sich sicher – allerdings noch etwas dauern. Bis dahin werde sie als BCA weiterhin versuchen, ihren Beitrag zu leisten.