Jäger sorgen für Gleichgewicht in der Natur
»Das ist ein überzeugender Vertrauensbeweis«, sagte Landrat Dieter Harrsen, als er Thomas Carstensen aus Olderup und Manfred Uekermann aus Sylt zur Wiederwahl als Kreisjägermeister und dessen Stellvertreter gratulierte. Beide bringen den Landrat in regelmäßigen Treffen auf den neuesten Stand über die Sorgen und Nöte der Jäger.
»Für mich sind diese Treffen sehr wichtig, weil ich die Erkenntnisse an anderen Stellen mit einfließen lassen kann, wenn ich zum Beispiel Gespräche über Naturschutzangelegenheiten führe«, erklärte der Verwaltungschef.
Marion Petersen-Klopfer, die Ansprechpartnerin der beiden Kreisjägermeister in der Jagd- und Waffenbehörde der Kreisverwaltung, bestätigte, dass auch auf der Arbeitsebene eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Carstensen und Uekermann besteht.
Die beiden werden das Kreisgebiet auch weiterhin unter sich aufteilen: Thomas Carstensen ist Ansprechpartner für alle Jäger im südlichen Bereich des Kreises, während Manfred Uekermann die gleiche Rolle ab einer Linie nördlich von Langenhorn übernimmt.
Runder Tisch zu Rotwildschäden
Zu den aktuellen Themen, die die Jäger bewegen, gehört der wachsende Bestand an Rotwild im Kreisgebiet. Die größte Art der Hirsche wandert seit einigen Jahren von Dänemark nach Nordfriesland ein. Sie bevorzugt verbuschte, halb offene Landschaften, die in Nordfriesland aber selten sind. Die Tiere sind nicht dumm: Sie lernen schnell, dass ihnen auf den Feldern, die den Jägern ein freies Schussfeld bieten, mehr Gefahren drohen als im Wald – deshalb verlassen sie die kleinen nordfriesischen Wälder so gut wie nicht mehr und sind dort schwer zu bejagen.
Mit dem Bestand wachsen auch die Schälschäden insbesondere in den Landesforsten in Südtondern. Die nahrhafte Rinde junger Bäume gilt den Tieren als Delikatesse und wird gern abgeschält. Stirbt der Baum dadurch ab, entstehen große wirtschaftliche Schäden; kein Jäger ist mehr bereit, sie im Rahmen eines Jagdpachtvertrages zu übernehmen. Also bleiben die Waldbesitzer auf ihren Schäden sitzen.
Thomas Carstensen fordert einen Interessenausgleich zwischen den Jägern in Feld und Wald: »Wir brauchen ein Gesamtkonzept. Deshalb werde ich versuchen, alle an einen Tisch zu bekommen.«
Schwarzwild setzt Jäger unter Druck
Auch der Bestand des Schwarzwildes steigt im hohen Norden seit Jahren an. In Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg gab es traditionell immer mehr Wildschweine als im nördlichen Schleswig-Holstein. Seit dem Fall des eisernen Vorhangs sind die Grenzen jedoch auch für die Wildschweine gefallen. Sie schwimmen durch den Nord-Ostsee-Kanal und schaffen es inzwischen auch immer öfter, die A7 nach Westen zu überqueren.
»Das Schwarzwild ist für uns Jäger sehr reizvoll, macht aber auch viel Arbeit. Denn seine Reproduktionsrate beträgt 250 bis 300 Prozent im Jahr«, erklärt Manfred Uekermann.
Marderhunde verringern die Artenvielfalt
Noch deutlich weitere Wege als die Wildschweine überwindet der Marderhund. Den aus Asien stammenden Räuber zieht es seit einigen Jahren vermehrt nach Westen, wo es weder Bären noch Luchse und nur wenige Wölfe gibt, die ihm in der Heimat das Leben schwer machen.
»Auf Nordstrand gab es vor einigen Monaten an einem Tag eine Jagdstrecke von fünf Füchsen und fünf Marderhunden«, erinnert sich Carstensen. Im Jagdjahr 2015/2016 wurden in Nordfriesland insgesamt 200 Marderhunde zur Strecke gebracht. Sie bringen es auf bis zu zwei Würfe im Jahr mit jeweils vier bis sechs Jungen. Das bereitet den Jägern Sorgen, denn der Marderhund ist ein Allesfresser, er nimmt auch Nester der Bodenbrüter sowie kleinen Kaninchen und Hasen aus.
»Uns Jägern liegt die ganze Natur am Herzen, auch das nicht-jagdbare Wild. Wir haben uns das Ziel gesetzt, das Gleichgewicht in der Natur zu fördern. Dafür ist es zwingend erforderlich, den Bestand des Marderhundes möglichst gering zu halten. Er richtet enorme Schäden an und verringert die Artenvielfalt«, berichtet Manfred Uekermann.
Vorland für Gänse mulchen
Auch Grau- und Nonnengänse finden in Nordfriesland ideale Lebensbedingungen vor, haben hier aber außer dem Fuchs keine natürlichen Feinde. Die Population der Nonnengänse ist seit der Unterschutzstellung vor rund 30 Jahren auf das Zehnfache angestiegen. Inzwischen hat sie sich für Landwirte zu einem enormen Problem entwickelt, weil die Tiere die Saaten fressen und die Felder und Wiesen verschmutzen.
Carstensen und Uekermann schließen sich Landrat Dieter Harrsens Appell an das Land Schleswig -Holstein an, schnell eine Entschädigungsregelung für die Landwirte in Kraft zu setzen.
»Parallel dazu sollte die Bejagung der Gänse vereinfacht werden«, hofft auch Marion Petersen-Klopfer. »Momentan müssen wir jeden Abschuss außerhalb der Jagdzeit einzeln genehmigen. Im letzten Jahr hat allein dieses bürokratische Erfordernis rund 100 Verwaltungsvorgänge ausgelöst.«
In der EU-Vogelschutzrichtlinie wurde festgelegt, dass Arten, die einen »Guten Erhaltungszustand« aufweisen, auch bewirtschaftet werden dürfen, womit auch die Jagd gemeint ist. »Aber das ist ein sehr schwammiger Begriff«, kritisiert Thomas Carstensen. »Da würde ich mir mehr Klarheit vom Gesetzgeber oder den zuständigen Behörden wünschen.«
Versuche haben gezeigt, dass Gänse gern auf kurzgrasigen Wiesen fressen, weil dort das Gras eiweiß- und nährstoffreicher ist. »Deshalb schlagen wir vor, die vom Land aus der Bewirtschaftung genommenen Vorlandflächen zu mähen und zu mulchen, oder, noch besser, wieder wie früher in Beweidung zu nehmen. Dann wäre eiweißreiches kurzes Gras vorhanden, und man könnte viel Druck von den landwirtschaftlichen Flächen nehmen«, sagt Manfred Uekermann.
Das Land jedoch setze immer noch auf den Vertragsnaturschutz und hoffe, die Landwirte dazu bewegen zu können, große, nebeneinanderliegende Flächen als Nahrungsgebiete für Gänse zur Verfügung zu stellen. »Ich halte das für Wunschdenken. Das widerspricht betriebswirtschaftlichen Erfordernissen und wird nicht funktionieren«, erklärt Thomas Carstensen.
Raubsäuger auf Halligen
Während die Gänse gedeckte Tische vorfinden, plagen ihre bodenbrütenden Verwandten auf den Halligen große Sorgen: Auf Langeneß, Oland und Nordstrandischmoor fiel praktisch der komplette Bestand an Löfflern und Austernfischern eingewanderten Raubsäugern zum Opfer. »Jedem Fachmann war klar, dass Fuchs und Marderhund sich nicht von der Fuchssperre am Olanddamm stoppen lassen würden«, erinnert Thomas Carstensen.
Vogelschützer fordern die ganzjährige Bejagung der Raubsäuger auf den Halligen. Das allerdings widerspreche dem Jagdgesetz, denn Elterntiere seien in der Brut- und Aufzuchtzeit immer geschützt, erklärt der Kreisjägermeister.
»Auch hier benötigen wir ein abgestimmtes Gesamtkonzept, um sowohl den Menschen als auch der Tierwelt gerecht zu werden. Die Halligbewohner, die Jäger und das Nationalparkamt müssen an einen Tisch«, fordert Manfred Uekermann.
Widersprüche im Naturschutz
Beide Jägermeister wundern sich immer wieder über Ergebnisse staatlichen Handelns im Naturschutz. Sie berichten von einem Naturschutzprojekt zum Schutz der Uferschnepfe, das direkt neben einer im Wege des Vertragsnaturschutzes stillgelegten landwirtschaftlichen Fläche begonnen wurde. Auf dieser Fläche haben sich Füchse angesiedelt. »Beide Landeigentümer freuten sich über Geld vom Staat, aber am meisten hat sich wohl der Fuchs gefreut«, vermutet Carstensen. Die Uferschnepfe jedenfalls habe nicht profitiert.
Dabei gehe es den Jägern keineswegs darum, dem Fuchs keinen Lebensraum zu gönnen: »Er gehört ebenso wie die Uferschnepfe zur Natur und hat ein selbstverständliches Recht zu leben. Aber uns liegt viel an einem Gleichgewicht aller Arten, und dazu tragen Episoden wie diese nicht gerade bei«, erklären Uekermann und Carstensen
Waffenrecht nicht weiter verschärfen
Eine Belastung ganz anderer Art betrifft die rund 1800 nordfriesischen Jägerinnen und Jäger selbst: die ständige Verschärfung des Waffenrechts. Obwohl weder der Amoklauf von Winnenden noch einer der späteren Amokläufe etwas mit Jagdwaffen zu tun hatten, hat der Gesetzgeber diese Vorfälle stets zum Anlass genommen, das Waffenrecht pauschal zu verschärfen.
»Eine Auflage folgte der nächsten. Inzwischen haben wir einen so hohen Sicherheitsstandard erreicht, dass weitere Verschärfungen nicht mehr akzeptabel wären. Allen Jägern ist die Gefährlichkeit ihrer Waffen sehr bewusst. Deshalb darf der Gesetzgeber uns ruhig etwas mehr Vertrauen entgegenbringen«, fordert Carstensen.
Marion Petersen-Klopfer bestätigt, dass die Jagd- und Waffenbehörde des Kreises ihre Kontrollen in den letzten Jahren deutlich intensiviert hat: »Die Jäger wissen, dass ein einziger Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften zum Widerruf der Jagderlaubnis führen kann, und verhalten sich entsprechend. Wir stellen bei ihnen so gut wie keine Verstöße gegen das Waffenrecht fest.«
Uekermann und Carstensen freuen sich auf eine weitere Periode guter Zusammenarbeit mit den Jägern, den Jagdgenossen und der Verwaltung und weisen darauf hin, dass, wie in den vergangenen Jahren auch, an jedem ersten Donnerstag im Monat vormittags Sprechzeiten im Kreisgebäude angeboten werden, an denen sich jedermann über jagdliche Fragen beraten lassen kann.