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Foto: Bernd Höfer, Breklum

Kreishaus in der Marktstraße in Husum

13.11.2013

Mehr Kooperation der Gemeinden gefragt

Die Gemeinden im ländlichen Raum sollten künftig wesentlich stärker kooperieren – so lautet der Rat bundesweit anerkannter Fachleute an die kommunalpolitisch Verantwortlichen in Nordfriesland. Die Experten hatten den Auftrag, ein Konzept zur Sicherung der Mobilität der Bevölkerung zu entwickeln.

»Schon im Vorfeld war uns klar, dass man gleichzeitig darüber nachdenken muss, welche Ziele der ÖPNV zukünftig verbinden soll«, erläutert Landrat Dieter Harrsen. Denn der demografische Wandel wird sich auch auf die Infrastruktur der Gemeinden auswirken: Schulen, Einzelhändler, Ärzte und andere Anbieter sind auf eine ausreichende Bevölkerungszahl im Einzugsgebiet angewiesen. Sinkt sie zu sehr, müssen sie schließen oder in größere Orte umziehen.

Landflucht bundesweit zu beobachten

Der Schrumpfungsprozess hat bereits begonnen: In vielen Gemeinden stehen Häuser leer, die sich schwer verkaufen lassen. »Der Trend geht eindeutig zum Umzug in zentrale Orte, weil dort noch öffentliche und private Infrastrukturen vorhanden sind«, erklärt Burkhard Jansen. Er leitet den Fachbereich Kreisentwicklung, Bau und Umwelt der Husumer Kreisverwaltung.

Dieses Phänomen ist in ganz Deutschland zu beobachten. Deshalb hat der Bund die Kosten des Mobilitätskonzepts für Nordfriesland vollständig übernommen. Auslöser waren die intensiven Vorarbeiten der Nordfriesen zur Abfederung des demografischen Wandels: Weil der Kreis bundesweit eine Vorreiterfunktion übernommen hat, sattelte der Bund nun ein Kooperations- und Mobilitätskonzept obendrauf. Seine Ergebnisse sollen für ganz Deutschland Signalwirkung haben.

Bund finanziert Konzepte für Nordfriesland

Der Bund beauftragte eine Arbeitsgemeinschaft aus den Büros PTV AG (für den Bereich Verkehrsplanung) und pakora.net (für den Bereich Stadt- und Regionalplanung) mit der Erstellung der Konzepte.

Unterstützt wurden sie von einem Expertenbeirat, der Kreisverwaltung und dem »Forum Mobilität« aus Vertretern verschiedener Interessengruppen aus dem Kreisgebiet. Sämtliche Gemeinden konnten die ihnen wichtigsten Aspekte im Rahmen einer Fragebogen-Aktion einbringen. Jetzt sind die Ergebnisse fast fertig.

Ziel ist es, dass alle Bürger auch langfristig die Chance haben sollen, in angemessener Zeit alle notwendigen Angebote der Daseinsvorsorge zu erreichen: Lebensmittelladen, Bäcker, Fleischer, Bankdienstleistungen, Apotheke, Hausarzt, Kinderbetreuung, Grundschule, stationäre und mobile Altenpflege, kommunale Verwaltungen/Bürgerbüro, Mobilitätsangebote und soziale Treffpunkte.

Ziel: Versorgungszentren in Kooperationsräumen

Die Experten empfehlen allen Gemeinden im ländlichen Raum, sich mit ihren Nachbarn zu Kooperationsräumen zusammenzuschließen und »Versorgungszentren« zu bilden. Ein ideales Versorgungszentrum bündelt alle wichtigen Infrastrukturen der Daseinsvorsorge an einem Ort und ist von allen Nachbargemeinden aus in wenigen Minuten erreichbar. Das bedeutet: Im Vergleich zu heute gewinnen einige Gemeinden Infrastruktureinrichtungen, andere verlieren sie. Durch diese Standortkonzentration ist auch eine kostengünstigere Mobilitätserschließung möglich.

Ohne Zusammenarbeit verlieren fast alle

»Wenn wir aber nicht in diese Richtung gehen, verlieren alle außer den größten zentralen Orten«, stellt Dieter Harrsen fest. Er betont jedoch, dass die Verlagerung der Infrastruktur vom Staat weder vorgegeben werden kann noch soll. Zum einen liegt die Planungshoheit bei den Gemeinden. Zum anderen entscheiden private Unternehmen selbst, welcher Standort für sie der attraktivste ist.

»Wir reden hier von langfristigen Prozessen, die sich über viele Jahre hinziehen werden. Die grundlegenden Entscheidungen jedoch müssen bald getroffen werden«, sagt der Landrat.

Neue Ideen für den ÖPNV

Das im Zusammenhang mit den Kooperationsräumen stehende Mobilitätskonzept soll sicherstellen, dass alle Gemeinden innerhalb der Kooperationsräume als Wohnstandort attraktiv bleiben können. Bisher basiert der ÖPNV in Nordfriesland auf einem Achsenkonzept: Die Hauptachse verbindet die größten Orte, die kleineren Orte sind mit Zubringerbussen angeschlossen.

Für die Zukunft schlagen die vom Bund beauftragten Verkehrsexperten ein Netz mit drei Ebenen vor: Auf der ersten Ebene verbinden Bahn und Bus die am stärksten nachgefragten Ziele nach Möglichkeit im Einstundentakt. Die zweite Ebene bindet die zentralen Orte und die Versorgungszentren an die Hauptrelationen an. Hier kommen insbesondere Busse im Zweistundentakt und Rufbusse infrage.

Die dritte Ebene bietet Anbindungen an die nächstgelegenen zentralen Orte oder Versorgungszentren an. Hier können – angepasst an die jeweilige Region – verschiedene Verkehrsmittel eingesetzt werden: Bus, Bürgerbus, Vereinsbus, private Mitnahme, Gemeinschaftsauto, Fahrrad/Pedelec und andere.

Schwierig, aber machbar

»Alle Gemeinden in Nordfriesland stehen vor schwierigen, aber auch höchst spannenden Herausforderungen«, fasst Landrat Dieter Harrsen zusammen. »Aber wir Nordfriesen sind immer in der Lage gewesen, unsere Zukunft selbst zu gestalten, und werden auch vor dem demografischen Wandel nicht in die Knie gehen: Gemeinsam schaffen wir das.«

Die Gemeinden sind am Zug

Ende November geben die Experten ihr endgültiges Gutachten ab. Anschließend ist der Kreis gefordert, das Konzept zu beraten und die Umsetzung in Angriff zu nehmen. Dieter Harrsen geht davon aus, dass der Kreis an die Gemeinden herantreten wird, damit diese sich ebenfalls mit den Aussagen des Gutachtens auseinandersetzen.

»Die Kreisverwaltung steht für Beratung und Unterstützung bereit«, erklärt er. Er betont aber auch, dass der Ball im Spielfeld der Gemeinden liegen wird: Es liegt noch viel Arbeit vor der kommunalen Selbstverwaltung.